Pressemitteilung

04.Juni 2014

Kern: Mit viel Bürokratie zur grün-roten Zwangsbeglückung mit einer einheitlichen Pflicht-Ganztagesschule

In einer Landtagsdebatte zur Änderung des Schulgesetzes sagte der bildungspolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Dr. Timm Kern 

„Die von Grün-Rot behauptete Wahlfreiheit bei dem vorliegenden Gesetzesentwurf dürfte ungefähr so viel mit einer echten Wahlfreiheit zu tun haben, wie der sprichwörtliche Wolf im Schafspelz ein echtes Schaf ist. Doch den Ausbau der Ganztagsschulen gilt es beherzt anzugehen. Das ist der Grund, warum die FDP-Fraktion bereits im vergangenen Jahr einen Gesetzentwurf zur Verankerung der Ganztagsschule im Schulgesetz vorgelegt hat. Nachdem unser Gesetzesentwurf allseits und anfänglich auch von den Regierungsfraktionen begrüßt wurde, hielten ihn die Grünen dann doch für zu freiheitlich. Dabei hätte er bis Ende der Legislatur allen Schulen ermöglicht, offene Ganztagsschulen zu werden, ohne Zustimmungsvorbehalt der Schulaufsichtsbehörde und frei ausgestaltet, entsprechend der örtlichen Bedarfslage.

Wenn man den grün-roten Gesetzentwurf liest, wird klar, warum die Grünen damals ihr Veto einlegten: sie konnten der Versuchung nicht widerstehen, den Bürgerinnen und Bürger die Ganztagsschulform überzustülpen, die man sich in Regierungskreisen als die allein seligmachende vorstellt: die verpflichtende Ganztagsschule für alle.

Damit nachher, ähnlich wie bei der Gemeinschaftsschule, gesagt werden kann, die Menschen hätten sich aus freien Stücken dafür entschieden, werden mehrere Modelle zur Alternative gestellt. Da aber die verpflichtende Ganztagsschule mit den meisten Ressourcen ausgestattet ist, wird alles in die gewünschte Richtung rutschen, wie auf einer schiefen Ebene.

Wer sich gegen die Gesetze der Schwerkraft stemmt, dem hilft die Schulverwaltung in Beratungsgesprächen nach. Schließlich hat die Verwaltung das letzte Wort. Die Regierung hat keinen Zweifel daran gelassen, dass Rhythmisierung und verpflichtender Ganztag die alleinige Zielvorstellung ist. Sie geht dabei nach dem Motto vor: Mit viel Bürokratie zur grün-roten Zwangsbeglückung mit einer einheitlichen Pflicht-Ganztagesschule.

Dies ist der Unterschied zwischen Grün-Rot und der FDP: Grün-Rot will Zwangsbeglückung, gibt vor zu wissen, was für andere gut ist. Wir aber wollen Angebote, die die Menschen wahrnehmen können, wenn Sie wollen, die sie aber nicht annehmen müssen!

‚Der Sinn von Politik ist Freiheit!‘ Diesem Satz von Hannah Arendt ist vollumfänglich zuzustimmen.

Es gibt beim grün-roten Gesetzesentwurf aber noch eine weitere schiefe Ebene zu beklagen. Herr Minister Stoch hat durch sein unbegründetes Vorgehen in zwei Schritten bei den Kooperationsvereinbarungen mit den außerschulischen Partnern diese Schieflage verursacht. Dass er die Sprinter des Sports rund zwei Monate früher starten ließ als die Musiker, Künstler, kirchlichen Jugendarbeiter und andere Institutionen, lässt sich gerade einem Sportbegeisterten schwer erklären. Im Sport wie in anderen gesellschaftlichen Bereichen kommt es den Liberalen immer auf gleiche Chancen und insbesondere auch auf gleiche Startbedingungen an. Die FDP-Fraktion begrüßt, dass der Minister spät, aber immerhin jetzt die Kurve genommen und die zweite Kooperationsvereinbarung zustande gebracht hat. An der Zusammenarbeit mit den außerschulischen Partnern und deren Engagement entscheidet sich wesentlich, ob eine Schule in die sie umgebende Gesellschaft eingebunden bleibt oder als ein monolithischer Block dasteht.

Mit Blick auf den Gesetzentwurf insgesamt stellt sich die Frage, warum die grün-rote Landesregierung zwei so wichtige bildungspolitische Anliegen in ein Gesetzespaket schnürt. Nach Auffassung der FDP-Fraktion hätte sowohl die Ganztagsschule als auch die geänderte Schulverfassung jeweils eine eigenständige parlamentarische Behandlung verdient. Es steht zu vermuten, dass heute ein ängstlicher Versuch gewagt wird, eine vollmundig angekündigte, aber dann doch enttäuschend mickrig ausgefallene Reform schamvoll im Schatten des Großthemas Ganztagsschule zu verstecken. Im grün-roten Koalitionsvertrag heißt es: ‚Wir wollen das Berufsbild Schulleitung entlang seiner veränderten Anforderungen weiterentwickeln. Des Weiteren gilt es, das Verfahren zur Besetzung von Schulleitungsstellen neu zu gestalten. Ziel ist es, der Schulkonferenz und dem Schulträger mehr Mitentscheidungskompetenz zu übertragen.‘

Es ist also schon so weit mit der grün-roten Bildungspolitik gekommen, dass ein Oppositionspolitiker Mut zusprechen muss, dass Sie sich auf Ihre eigenen Vorsätze aus dem Koalitionsvertrag zurückbesinnen. In diesem Fall handelt es sich aus liberaler Sicht um vielversprechende Vorsätze, die eine echte Schulentwicklung ermöglicht hätten. Der Liberale wäre allerdings ein anderer Ansatz gewesen wäre als der, den die Regierung gewählt hat. Sie wählte das verbohrte und eindimensionale Umwälzen eines gesamten und zudem überaus erfolgreichen Bildungssystems.

Entwicklung hat nach liberaler Auffassung etwas damit zu tun, das etwas bereits in der Anlage Vorhandenes sich selbst auswickeln, das heißt, sich selbst entfalten kann. Die Schulen sowohl mit echten Mitwirkungsrechten als auch mit echten Mitentscheidungsrechten, das wäre für eine Regierung ein mutiger Schritt gewesen, denn er hätte die Schulen in die Freiheit und Eigenverantwortung entlassen. Grün-Rot hat sich dennoch für ein mutloses und halbherziges Reförmchen entschieden. Die FDP fürchtet allerdings, dass bei Grün-Rot weniger die fehlende Courage ausschlaggebend war, sondern die Erkenntnis, dass eine selbstbewusste und eigenständige Schule möglicherweise resistenter gegen bildungspolitische Utopien sein könnte, die den Praxistest kaum bestehen werden. Dass dabei der politische Daumen draufgehalten wird, zeigt vor allem der Umstand, dass die Letztentscheidung über die Schulleiterbesetzung bei der Schulverwaltung bleibt. Spätestens hiermit hat die Regierung die Berechtigung verspielt zu behaupten, mit Grün-Rot werde ‚Bildung von unten‘ wachsen.“

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