Pressemitteilung

22.Januar 2014

Kern: Nicht grünes Schwarz-Weiß-Denken, sondern Toleranz hält eine vielfältige Gesellschaft zusammen

In einer Landtagsdebatte zum Thema „Spaltet ein ideologisierter Bildungsplan unser Land?” sagte der stellvertretende Vorsitzende und bildungspolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Dr. Timm Kern:

„Auf der einen Seite gehört Deutschland seit den 1990er Jahren international zu den am besten aufgeklärten Ländern. Allenfalls Schweden und Finnland hätten ‚eine derart flächendeckende Versorgung mit Sexualkundeunterricht‘, so Eckhard Schroll, Abteilungsleiter Sexualaufklärung bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, laut einem Bericht in der ‚Welt‘. Auf der anderen Seite aber weiß jeder, der schon einmal eine große Pause an einer weiterführenden Schule erlebt hat, welch völlig inakzeptable Schimpfworte und Beleidigungen hier leider zu hören sind. Das heißt, dass das Thema “Respekt und Akzeptanz von Homosexualität” trotz weit überdurchschnittlicher Aufklärungsquote an deutschen Schulen leider noch nicht zur Selbstverständlichkeit geworden ist. Und dies ist nach meiner Meinung eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, der sich jeder Bürger und jede Bürgerin in unserem Land zu stellen hat.

Grün-Rot arbeitet derzeit an neuen Bildungsplänen.  Dies ist an sich nicht ungewöhnlich, da ca. alle zehn Jahre neue Bildungspläne herausgegeben werden. Allerdings war die grün-rote Koalition schon einmal dem Vorwurf ausgesetzt, dass sie mit den Bildungsplänen Politik machen will. Denn während es bislang für jede Schulart einen eigenen Bildungsplan gab, sollte es nach grün-rotem Willen zukünftig nur noch einen einzigen Einheitsbildungsplan für alle Schularten geben. Erst auf massiven öffentlichen Druck hin kündigte der Ministerpräsident an, dass aus dem Einheitsbildungsplan noch als eine Art Auszug, d.h. ein eigenständiger Bildungsplan für die Gymnasien herausgegeben werden solle.

Umstritten ist nun auch eine weitere Neuerung von Grün-Rot: Dem Bildungsplan sollen sog. “Leitprinzipien” vorangestellt werden, um sie dann an passenden Stellen im Bildungsplan zu verankern. Dabei handelt es sich eher um als ‚wichtig‘ gekennzeichnete Querschnittsthemen wie ‚Medienbildung‘ oder die grüne Duftmarke ‚Bildung für nachhaltige Entwicklung‘. Statt, wie ursprünglich angedacht, ein eigenes Leitprinzip ‚sexuelle Vielfalt‘ zu verankern, wurden nun die Einzelteile auf die übrigen Leitprinzipien verteilt und am Ende jedes Leitprinzip-Kompetenzkatatlogs ein eigener kleiner Katalog angeführt, was alles beim jeweiligen Leitprinzip “unter dem Gesichtspunkt der Akzeptanz sexueller Vielfalt” berücksichtigt werden muss. Auf diese Weise kommt 27x das Wort “Sex” in irgendeiner Kombination im 32 Seiten umfassenden Arbeitspapier zu den Leitprinzipien vor. So kann der Eindruck der Einseitigkeit und Unausgewogenheit entstehen. Hinzu kommt, dass der Begriff “sexuelle Vielfalt” an keiner Stelle klar definiert wird. Das heißt, das Thema ‚sexuelle Vielfalt‘ kann als der eigentliche rote Faden erscheinen, der sich durch die Leitprinzipien und somit durch den gesamten Bildungsplan zieht, sozusagen als Leitprinzip der Leitprinzipien.

An diesem Beispiel wird die gesamte Problematik der grün-roten Bildungsplanarbeit offenbar: Es entsteht in der Öffentlichkeit der Verdacht, Grün-Rot wolle die Bildungspläne als politisches Instrument benutzen. So avancierte ein Thema, das bislang in den Bildungsplänen eine Selbstverständlichkeit war, nun zum Aufreger. Grün-Rot trägt die Verantwortung dafür, dass durch eine verkorkste Bildungsplanung ohne Not ein sinnloser und gefährlicher Grabenkampf zu einem wichtigen gesellschaftspolitischen Thema vom Zaun gebrochen wurde. Statt einen Bildungsplan als Basis für die Bildung junger Menschen zu Eigenständigkeit und kritischem Denken zu begreifen, versuchen Grüne und SPD mithilfe von sogenannten ‚Leitprinzipien‘ politische Duftmarken im Bildungsplan zu platzieren.

Ein Bildungsplan darf jedoch aus liberaler Sicht nicht bevormunden. Hätte die grün-rote Landesregierung wie im aktuell geltenden Bildungsplan von 2004 einen auf dem Grundgesetz beruhenden Toleranzbegriff zu Grunde gelegt, der konsequent jegliche Form der Diskriminierung ablehnt, wäre den Menschen in Baden-Württemberg diese problematische Debatte erspart geblieben. Insbesondere die Grünen spielen ein sehr problematisches Spiel. Sie benutzen dieses wichtige Thema, um ihrer mit Kretschmann allzu bodenständig daherkommenden Partei ein scheinbar modernes gesellschaftspolitisches Image zu verpassen. Zu diesem Zweck teilen die Grünen die Welt wieder einmal in Schwarz und Weiß ein.

In einem Beschluss der Grünen vom 14. Januar 2014 heißt es: ‚Die Reaktionen von CDU und FDP zeigen eindrücklich, wie wichtig der Regierungswechsel 2011 für die Entwicklung eines weltoffenen und toleranten Baden-Württemberg war und ist‘. Diese Schwarz-Weiß-Malerei sendet an die Menschen in Baden-Württemberg ein verheerendes Signal: ‚Entscheidet Euch, ob Ihr mit Eurer Lebensform und Eurem Familienbild zu den Angesagten oder zu den Ewiggestrigen gehören wollt. Und was angesagt ist und was ewiggestrig, das bestimmen wir, die Grünen an der Regierung, und Ihr und Eure Kinder haben gefälligst unser Weltbild zu schlucken. Ein solches Weltbild spiegelt aber nicht Vielfalt wieder, sondern bestenfalls Einfalt.

Was sehr viele Menschen in unserem Land stört, ist vor allem die grüne Besserwisserei, die übrigens auf einem fundamentalen grünen Misstrauen gegenüber den Bürgern beruht. Viele Menschen schreiben uns, dass sie sich jetzt in eine Ecke gedrängt und mit dem Pauschalvorwurf der Homophobie konfrontiert fühlen, obwohl sie immer für Toleranz und ein gelingendes Miteinander von Lebensformen eingetreten sind. Und das nur, weil sie der Meinung sind, dass Familien des besonderen Schutzes und der Förderung durch den Staat bedürfen. Und so haben sie auch in keiner Weise etwas gegen diejenigen Lebensformen und sexuellen Orientierungen, die um Toleranz und gesellschaftliche Akzeptanz kämpfen, sondern wehren sich gegen grüne Bevormundung, die via Bildungsplan aufoktroyiert werden soll. Wenn sich schließlich zu diesem grünen Dirigismus dann noch sozialdemokratischer Dilettantismus gesellt, entsteht eine gefährliche Mischung, die, wie wir an der Online-Petition und ihrer Gegenpetition sehen können, das Zeug hat, eine Gesellschaft zu spalten. Selbstverständlich gibt es Handlungsbedarf bei diesem relevanten gesellschaftlichen Problem, aber der grüne Lösungsansatz schießt weit über das Ziel hinaus. Schlimm ist, dass die Grünen von sich selbst glauben, mit dem Befeuern der Debatte würden sie einem guten Miteinander verschiedener Lebensformen einen Dienst erweisen. Denn hier gilt der alte Grundsatz: Wer anderen mit Misstrauen begegnet, wird Misstrauen ernten. Oder anders formuliert: Toleranz und nicht Schwarz-Weiß-Denken ist die Basis einer liberalen Gesellschaft, die in Vielfalt zusammenleben will.“

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